Rogtrainer
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Hallo Community,
Für alle zum Nachlesen in Deutsch!
In der Dauerfehde von Blizzard mit Bot-Anbietern kam es am 6. Oktober 2016 in gleich zwei Verfahren zum Showdown vor dem BGH.
Wir waren als verfahrensunbeteiligte, notorisch Spielrechtsinteressierte vor Ort, haben aufmerksam zugehört und berichten in zwei Blogposts von unseren Eindrücken vom Verlauf der mündlichen Verhandlungen:
Der Spieleanbieter hatte der Bossland GmbH verbieten lassen, zwei Bots für World of Warcraft zu vertreiben. In einem zweiten Verfahren hatte er erwirkt, dass Bossland die Client-Software nicht mehr zu gewerblichen Zwecken vervielfältigen darf – faktisch also dem Bot-Anbieter die Nutzung des WoW-Clients verboten. Bossland hatte gegen beide Urteile Revision eingelegt.
Das Verfahren zur Nutzung des Clients hat Bossland nun verloren. In dem anderen Verfahren steht die Verkündung des Urteils noch aus.
Was ist der Hintergrund?
Bots werden vor allem für Massively Multiplayer Online Role-Playing Games angeboten. Die Bots übernehmen automatisiert die Kontrolle über den Charakter des Spielers. Die Figur kann dann Aufgaben absolvieren („Questing“) oder virtuelle Items sammeln („Gathering“), wenn der Spieler nicht selbst am Rechner ist. Die maschinengesteuerten Figuren können daher deutlich schneller im Spiel vorankommen als menschliche Spieler. Für andere Spieler des Online-Rollenspiels sind die „fremdgesteuerten“ Figuren nicht ansprechbar. In den von sozialer Interaktion lebenden Onlinespielen sind sie ein Fremdkörper.
Blizzard, der Entwickler und Anbieter von Spielen wie World of Warcraft (WoW) und Diablo III, geht seit längerem aktiv gegen den Einsatz von Bots in den eigenen Spielen vor. Hierbei sperrt das Unternehmen nicht nur Accounts von Spielern, die Bots einsetzen. Blizzard möchte das Phänomen an der Wurzel bekämpfen und führt zahlreiche Prozesse unmittelbar gegen die Entwickler solcher Automatisierungssoftware.
Die Verhandlung gegen Bossland vor dem BGH war die nächste Runde in einer Auseinandersetzung um Bots für World of Warcraft, die sich schon seit Jahren hinzieht. Auch gegen Bots für Diablo III des Anbieters geht Blizzard juristisch vor.
Darf Bossland überhaupt WoW spielen?
Das am vergangenen Donnerstag bereits entschiedene Verfahren betraf die urheberrechtliche Frage, ob Bossland die Client-Software zu gewerblichen Zwecken vervielfältigen darf (Az. I ZR 25/15). Im Kern ging es also um die Frage, ob Entwicklern die Verwendung eines Spiels für die Entwicklung von Bots untersagt werden kann.
Das LG Leipzig (Urteil v. 15.07.2014 – 5 O 1155/13) und das OLG Dresden (Urteil v. 20.01.2015, Az. 14 U 1127/14) hatten der Klage von Blizzard stattgegeben. Nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde landete die Sache nun beim BGH. Dieser wies die Revision von Bossland aber größtenteils ab.
Dem grundsätzlichen Einwand von Bossland, es sei rechtsmissbräuchlich, dass Blizzard gleich mehrere Prozesse gegen den Bot-Anbieter führe, folgte der BGH nicht. Einerseits sei es nicht rechtsmissbräuchlich, für eigenständige Rechtsverletzungen auch getrennte Verfahren zu betreiben. Andererseits sei es angesichts der Komplexität der jeweils behandelten Fragen nachvollziehbar, diese nicht zu bündeln. Zudem handele es sich in den Verfahren auch teils um Ansprüche unterschiedlicher Gesellschaften aus dem Blizzard-Konzern.
Zur Frage der Rechteeinräumung erklärte der BGH in der Verhandlung zunächst, dass die Annahmen des Berufungsgerichts zuträfen, sowohl was die Einräumung der Nutzungsrechte durch den Abschluss des Battle.net-Vertrages betreffe, als auch hinsichtlich der Beschränkung der Rechte aufgrund der Zweckübertragungslehre (eine urheberrechtliche Vorschrift, wonach im Zweifel immer nur diejenigen Rechte eingeräumt warden, die der Vertragspartner zur Erreichung des Vertragszwecks benötigt).
Eine vertragliche Beschränkung der Rechteeinräumung auf die private Nutzung sei wohl auch zulässig. Es sei aber zu prüfen, ob der Rahmen privater Nutzung überschritten sei, wenn die Nutzung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erfolgt. Für eine eventuelle Anwendbarkeit des § 69d Abs. 3 UrhG wiesen die Richter darauf hin, dass das Berufungsgericht auf eine bloße Beobachtung des Bots abgestellt habe. Eventuell erfolge aber ebenfalls eine Beobachtung des Clients.
Mit Verweis auf die „SAS Institute“-Entscheidung des EuGH (02.05.2012, Az. C-406/10) diskutierte das Gericht auch, ob möglicherweise eine Ermittlung der nicht urheberrechtlich schutzfähigen Spielinhalte zulässig sein könnte. Einen Vortrag, dass ein Zugriff auf urheberrechtlich geschützten Quellcode erfolgt sei, gebe es nicht. Die Ausnahme des § 69d Abs. 3 UrhG stelle nur auf den Programmcode ab, eine entsprechende Regelung für audiovisuelle Spieldaten gebe es nicht. Hier wandte der Anwalt des Bot-Anbieters ein, dass es wohl auch in dem bei der SAS-Entscheidung zu prüfenden Sachverhalt audiovisuelle Bestandteile gegeben habe, also die Wiedergabe geschützter Inhalte auf einem Bildschirm. Dem Argument, es fehle an einer Feststellung, dass auch audiovisuell geschützte Elemente der Client-Software vervielfältigt wurden, hielt der Anwalt von Blizzard die entsprechende Passage des erstinstanzlichen Urteils entgegen.
Diese Differenzierung hielt der BGH auch im Ergebnis fest, mit dem er weitestgehend Blizzard Recht gab. Aufgehoben wurde lediglich die – im erstinstanzlichen Urteil noch enthaltene – Variante, dass Bossland die Clientsoftware auch nicht mehr „auf dem Bildschirm anzeigen“ dürfe:
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Januar 2015 insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer I 1 in der Variante mit “oder” vor “auf dem Bildschirm anzeigen lässt” zum Nachteil des Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 15. Juli 2014 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Fazit
Obwohl also Bossland hinsichtlich eines kleines Teils der Revision erfolgreich war, bedeutet das Urteil, dass der Bot-Entwickler künftig den WoW-Client jedenfalls nicht mehr vervielfältigen (und daher auch nicht mehr auf eigenen Rechnern installieren) darf.
Beide Bossland-Verfahren sind von großer Bedeutung für Spieleentwickler und Publisher, die sich gegen Bot-Anbieter wehren möchten. In dem zweiten Verfahren ist zwar noch keine Entscheidung ergangen, aber auch insoweit konnten wir einige Eindrücke sammeln, die wir in Teil 2 dieses Blogbeitrags diskutieren.
Eindrücke von der Verhandlung: Wettbewerbs- und Markenrecht
In dem Verfahren I ZR 253/14 ging es um eine Klage von Blizzard gegen den Vertrieb der Bossland-Bots „Honorbuddy“ und „Gatherbuddy“. Dabei stellten sich zwei grundsätzliche Fragen. Erstens war zu klären, ob der Vertrieb von Bots wettbewerbsrechtlich bereits unzulässig ist. Zweitens ging es darum, ob die Bezeichnung der Software als „World of Warcraft Bot” und „WOW Bot” die Markenrechte von Blizzard verletzt. Analysen des vorinstanzlichen Urteils gibt es hier, sowie – sehr ausführlich – bei den Kollegen von Telemedicus.
Wettbewerbsrecht
In der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung stellten die Richter zunächst fest, dass für die Klage deutsches Recht anwendbar sei. Dies beruhe auf Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Rom II-VO. Die von der Vorinstanz herangezogene Regelung des § 3 TMG sei keine Kollisionsnorm. Ebenfalls sei Blizzard als Mitbewerberin von Bossland anzusehen.
Erforderlich für die streitgegenständliche Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG a.F. (mittlerweile § 4 Nr. 4 UWG) sei, dass das in den Nutzungsbedingungen enthaltene Verbot von Automatisierungssoftware für die Spieler verbindlich ist. Dabei kam die Frage nach der Rechtsnatur und Überprüfbarkeit der Spielregeln zur Sprache. Während das Landgericht erstinstanzlich die WoW-Spielregeln noch als rechtlich kontrollfrei eingestuft hatte, hatte das OLG diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Der BGH deutete nun an, es könne sich möglicherweise um AGB handeln.
Der Vorsitzende Richter, Prof. Dr. Büscher führte aus, dass Spieler eines MMORPGs in der Regel zwei Verträge schließen: Ein erster Vertragsschluss erfolge beim Kauf der Clientsoftware, ein zweiter bei der Einrichtung des Battle.net-Accounts. Daran ändere wohl auch die UsedSoft-Entscheidung nichts. Dazu erklärte er, der EuGH habe sich mit einem aus mehreren Programmen bestehenden Werk wohl auch gar nicht befasst. Inhaltlich müsse zwar auch die Frage nach der Transparenz der Klauseln geprüft werden. Diese nutzten aber immerhin den Begriff der Automatisierungssoftware (Bots).
Eine mittelbare Einwirkung auf das Spiel im wettbewerbsrechtlichen Sinne könnte laut BGH darin liegen, dass die Spieler verleitet werden, die Automatisierungssoftware einzusetzen. Sie könnten sich somit nicht mehr uneingeschränkt miteinander messen und miteinander kommunizieren. Dabei müsse aber auch geklärt werden, wie die Frage zu behandeln sei, dass Blizzard selbst Ergänzungen für sein Spiel anbietet.
Große Zweifel ließ der BGH erkennen am Vortrag der Revision, für einen Wettbewerbsverstoß müssten konkrete Verluste vorgetragen werden. Eine gewisse Prognose sei auch beim vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderlich, argumentierte zwar der Anwalt der Beklagten. Dies widerspreche aber sowohl der Kommentierung als auch dem ausdrücklichen Wortlaut der Gesetzesbegründung. Im Übrigen seien Reaktionen unzufriedener Kunden auch konkret zitiert worden.
Ebenso kritisch sahen die Richter das Argument, Bot-Software könne ja auch neue Spieler anziehen. Hier sei schon zweifelhaft, ob Blizzard solche Bot-motivierten Spieler überhaupt als Kunden gewinnen wolle.
Markenrecht
Im Hinblick auf die markenrechtlichen Fragen erklärte der BGH zunächst, Art. 12 Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) berechtige Unternehmen nicht, fremde Zeichen wie eigene Marken zu benutzen. Ein Verstoß könne dabei insbesondere auch dann vorliegen, wenn der Vertrieb des so gekennzeichneten Produktes wettbewerbsrechtlich unlauter sei.
Deutlich wurde, dass die Frage nach dem anwendbaren Recht für den Auskunfts- und Schadensersatzanspruch eine noch zu klärende Frage ist. Dies erinnerte den BGH an seine „Gartenpavillon“-Vorlage beim EuGH (Beschl. v. 16.08.2012, Az. I ZR 74/10). Die rechtliche Bewertung sei hier noch zu klären. In der damaligen Entscheidung des EuGH habe der Generalanwalt wohl die Mosaiktheorie angenommen, es sei aber auch die Einheitstheorie denkbar. Die Literatur habe hierzu unterschiedliche Auffassungen, teils wohl ohne Problembewusstsein. Ausdrücklich wies der BGH darauf hin, der Vertrieb solcher Software über das Internet müsse vielleicht auch anders behandelt werden, als der europaweite Vertrieb physischer Produkte. Die Frage sei aber noch zu prüfen.
Fazit
Für den BGH sind insbesondere markenrechtlich noch einige rechtliche Fragen offen. So war es nicht völlig überraschend, dass am 6. Oktober 2016 noch kein Urteil ergangen ist. Den Termin zur Verkündung einer Entscheidung hat der BGH auf Donnerstag, den 12. Januar 2017, bestimmt.
Beide Bossland-Verfahren sind von großer Bedeutung für Spieleentwickler und Publisher, die sich gegen Bot-Anbieter wehren möchten. In dem wettbewerbs- und markenrechtlich geprägten Verfahren ist zwar die Entscheidung noch nicht getroffen, doch tendierten nach unserem Eindruck die Richter eher dazu, die Sichtweise der Klägerin Blizzard zu teilen.
In beiden Verfahren bleibt natürlich auch noch abzuwarten, wie der BGH seine Entscheidungen begründet
.
Für alle zum Nachlesen in Deutsch!
In der Dauerfehde von Blizzard mit Bot-Anbietern kam es am 6. Oktober 2016 in gleich zwei Verfahren zum Showdown vor dem BGH.
Wir waren als verfahrensunbeteiligte, notorisch Spielrechtsinteressierte vor Ort, haben aufmerksam zugehört und berichten in zwei Blogposts von unseren Eindrücken vom Verlauf der mündlichen Verhandlungen:
Der Spieleanbieter hatte der Bossland GmbH verbieten lassen, zwei Bots für World of Warcraft zu vertreiben. In einem zweiten Verfahren hatte er erwirkt, dass Bossland die Client-Software nicht mehr zu gewerblichen Zwecken vervielfältigen darf – faktisch also dem Bot-Anbieter die Nutzung des WoW-Clients verboten. Bossland hatte gegen beide Urteile Revision eingelegt.
Das Verfahren zur Nutzung des Clients hat Bossland nun verloren. In dem anderen Verfahren steht die Verkündung des Urteils noch aus.
Was ist der Hintergrund?
Bots werden vor allem für Massively Multiplayer Online Role-Playing Games angeboten. Die Bots übernehmen automatisiert die Kontrolle über den Charakter des Spielers. Die Figur kann dann Aufgaben absolvieren („Questing“) oder virtuelle Items sammeln („Gathering“), wenn der Spieler nicht selbst am Rechner ist. Die maschinengesteuerten Figuren können daher deutlich schneller im Spiel vorankommen als menschliche Spieler. Für andere Spieler des Online-Rollenspiels sind die „fremdgesteuerten“ Figuren nicht ansprechbar. In den von sozialer Interaktion lebenden Onlinespielen sind sie ein Fremdkörper.
Blizzard, der Entwickler und Anbieter von Spielen wie World of Warcraft (WoW) und Diablo III, geht seit längerem aktiv gegen den Einsatz von Bots in den eigenen Spielen vor. Hierbei sperrt das Unternehmen nicht nur Accounts von Spielern, die Bots einsetzen. Blizzard möchte das Phänomen an der Wurzel bekämpfen und führt zahlreiche Prozesse unmittelbar gegen die Entwickler solcher Automatisierungssoftware.
Die Verhandlung gegen Bossland vor dem BGH war die nächste Runde in einer Auseinandersetzung um Bots für World of Warcraft, die sich schon seit Jahren hinzieht. Auch gegen Bots für Diablo III des Anbieters geht Blizzard juristisch vor.
Darf Bossland überhaupt WoW spielen?
Das am vergangenen Donnerstag bereits entschiedene Verfahren betraf die urheberrechtliche Frage, ob Bossland die Client-Software zu gewerblichen Zwecken vervielfältigen darf (Az. I ZR 25/15). Im Kern ging es also um die Frage, ob Entwicklern die Verwendung eines Spiels für die Entwicklung von Bots untersagt werden kann.
Das LG Leipzig (Urteil v. 15.07.2014 – 5 O 1155/13) und das OLG Dresden (Urteil v. 20.01.2015, Az. 14 U 1127/14) hatten der Klage von Blizzard stattgegeben. Nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde landete die Sache nun beim BGH. Dieser wies die Revision von Bossland aber größtenteils ab.
Dem grundsätzlichen Einwand von Bossland, es sei rechtsmissbräuchlich, dass Blizzard gleich mehrere Prozesse gegen den Bot-Anbieter führe, folgte der BGH nicht. Einerseits sei es nicht rechtsmissbräuchlich, für eigenständige Rechtsverletzungen auch getrennte Verfahren zu betreiben. Andererseits sei es angesichts der Komplexität der jeweils behandelten Fragen nachvollziehbar, diese nicht zu bündeln. Zudem handele es sich in den Verfahren auch teils um Ansprüche unterschiedlicher Gesellschaften aus dem Blizzard-Konzern.
Zur Frage der Rechteeinräumung erklärte der BGH in der Verhandlung zunächst, dass die Annahmen des Berufungsgerichts zuträfen, sowohl was die Einräumung der Nutzungsrechte durch den Abschluss des Battle.net-Vertrages betreffe, als auch hinsichtlich der Beschränkung der Rechte aufgrund der Zweckübertragungslehre (eine urheberrechtliche Vorschrift, wonach im Zweifel immer nur diejenigen Rechte eingeräumt warden, die der Vertragspartner zur Erreichung des Vertragszwecks benötigt).
Eine vertragliche Beschränkung der Rechteeinräumung auf die private Nutzung sei wohl auch zulässig. Es sei aber zu prüfen, ob der Rahmen privater Nutzung überschritten sei, wenn die Nutzung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erfolgt. Für eine eventuelle Anwendbarkeit des § 69d Abs. 3 UrhG wiesen die Richter darauf hin, dass das Berufungsgericht auf eine bloße Beobachtung des Bots abgestellt habe. Eventuell erfolge aber ebenfalls eine Beobachtung des Clients.
Mit Verweis auf die „SAS Institute“-Entscheidung des EuGH (02.05.2012, Az. C-406/10) diskutierte das Gericht auch, ob möglicherweise eine Ermittlung der nicht urheberrechtlich schutzfähigen Spielinhalte zulässig sein könnte. Einen Vortrag, dass ein Zugriff auf urheberrechtlich geschützten Quellcode erfolgt sei, gebe es nicht. Die Ausnahme des § 69d Abs. 3 UrhG stelle nur auf den Programmcode ab, eine entsprechende Regelung für audiovisuelle Spieldaten gebe es nicht. Hier wandte der Anwalt des Bot-Anbieters ein, dass es wohl auch in dem bei der SAS-Entscheidung zu prüfenden Sachverhalt audiovisuelle Bestandteile gegeben habe, also die Wiedergabe geschützter Inhalte auf einem Bildschirm. Dem Argument, es fehle an einer Feststellung, dass auch audiovisuell geschützte Elemente der Client-Software vervielfältigt wurden, hielt der Anwalt von Blizzard die entsprechende Passage des erstinstanzlichen Urteils entgegen.
Diese Differenzierung hielt der BGH auch im Ergebnis fest, mit dem er weitestgehend Blizzard Recht gab. Aufgehoben wurde lediglich die – im erstinstanzlichen Urteil noch enthaltene – Variante, dass Bossland die Clientsoftware auch nicht mehr „auf dem Bildschirm anzeigen“ dürfe:
Auf die Revision des Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Januar 2015 insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Klageantrags zu Ziffer I 1 in der Variante mit “oder” vor “auf dem Bildschirm anzeigen lässt” zum Nachteil des Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 15. Juli 2014 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Fazit
Obwohl also Bossland hinsichtlich eines kleines Teils der Revision erfolgreich war, bedeutet das Urteil, dass der Bot-Entwickler künftig den WoW-Client jedenfalls nicht mehr vervielfältigen (und daher auch nicht mehr auf eigenen Rechnern installieren) darf.
Beide Bossland-Verfahren sind von großer Bedeutung für Spieleentwickler und Publisher, die sich gegen Bot-Anbieter wehren möchten. In dem zweiten Verfahren ist zwar noch keine Entscheidung ergangen, aber auch insoweit konnten wir einige Eindrücke sammeln, die wir in Teil 2 dieses Blogbeitrags diskutieren.
Eindrücke von der Verhandlung: Wettbewerbs- und Markenrecht
In dem Verfahren I ZR 253/14 ging es um eine Klage von Blizzard gegen den Vertrieb der Bossland-Bots „Honorbuddy“ und „Gatherbuddy“. Dabei stellten sich zwei grundsätzliche Fragen. Erstens war zu klären, ob der Vertrieb von Bots wettbewerbsrechtlich bereits unzulässig ist. Zweitens ging es darum, ob die Bezeichnung der Software als „World of Warcraft Bot” und „WOW Bot” die Markenrechte von Blizzard verletzt. Analysen des vorinstanzlichen Urteils gibt es hier, sowie – sehr ausführlich – bei den Kollegen von Telemedicus.
Wettbewerbsrecht
In der wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung stellten die Richter zunächst fest, dass für die Klage deutsches Recht anwendbar sei. Dies beruhe auf Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Rom II-VO. Die von der Vorinstanz herangezogene Regelung des § 3 TMG sei keine Kollisionsnorm. Ebenfalls sei Blizzard als Mitbewerberin von Bossland anzusehen.
Erforderlich für die streitgegenständliche Behinderung nach § 4 Nr. 10 UWG a.F. (mittlerweile § 4 Nr. 4 UWG) sei, dass das in den Nutzungsbedingungen enthaltene Verbot von Automatisierungssoftware für die Spieler verbindlich ist. Dabei kam die Frage nach der Rechtsnatur und Überprüfbarkeit der Spielregeln zur Sprache. Während das Landgericht erstinstanzlich die WoW-Spielregeln noch als rechtlich kontrollfrei eingestuft hatte, hatte das OLG diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Der BGH deutete nun an, es könne sich möglicherweise um AGB handeln.
Der Vorsitzende Richter, Prof. Dr. Büscher führte aus, dass Spieler eines MMORPGs in der Regel zwei Verträge schließen: Ein erster Vertragsschluss erfolge beim Kauf der Clientsoftware, ein zweiter bei der Einrichtung des Battle.net-Accounts. Daran ändere wohl auch die UsedSoft-Entscheidung nichts. Dazu erklärte er, der EuGH habe sich mit einem aus mehreren Programmen bestehenden Werk wohl auch gar nicht befasst. Inhaltlich müsse zwar auch die Frage nach der Transparenz der Klauseln geprüft werden. Diese nutzten aber immerhin den Begriff der Automatisierungssoftware (Bots).
Eine mittelbare Einwirkung auf das Spiel im wettbewerbsrechtlichen Sinne könnte laut BGH darin liegen, dass die Spieler verleitet werden, die Automatisierungssoftware einzusetzen. Sie könnten sich somit nicht mehr uneingeschränkt miteinander messen und miteinander kommunizieren. Dabei müsse aber auch geklärt werden, wie die Frage zu behandeln sei, dass Blizzard selbst Ergänzungen für sein Spiel anbietet.
Große Zweifel ließ der BGH erkennen am Vortrag der Revision, für einen Wettbewerbsverstoß müssten konkrete Verluste vorgetragen werden. Eine gewisse Prognose sei auch beim vorbeugenden Unterlassungsanspruch erforderlich, argumentierte zwar der Anwalt der Beklagten. Dies widerspreche aber sowohl der Kommentierung als auch dem ausdrücklichen Wortlaut der Gesetzesbegründung. Im Übrigen seien Reaktionen unzufriedener Kunden auch konkret zitiert worden.
Ebenso kritisch sahen die Richter das Argument, Bot-Software könne ja auch neue Spieler anziehen. Hier sei schon zweifelhaft, ob Blizzard solche Bot-motivierten Spieler überhaupt als Kunden gewinnen wolle.
Markenrecht
Im Hinblick auf die markenrechtlichen Fragen erklärte der BGH zunächst, Art. 12 Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) berechtige Unternehmen nicht, fremde Zeichen wie eigene Marken zu benutzen. Ein Verstoß könne dabei insbesondere auch dann vorliegen, wenn der Vertrieb des so gekennzeichneten Produktes wettbewerbsrechtlich unlauter sei.
Deutlich wurde, dass die Frage nach dem anwendbaren Recht für den Auskunfts- und Schadensersatzanspruch eine noch zu klärende Frage ist. Dies erinnerte den BGH an seine „Gartenpavillon“-Vorlage beim EuGH (Beschl. v. 16.08.2012, Az. I ZR 74/10). Die rechtliche Bewertung sei hier noch zu klären. In der damaligen Entscheidung des EuGH habe der Generalanwalt wohl die Mosaiktheorie angenommen, es sei aber auch die Einheitstheorie denkbar. Die Literatur habe hierzu unterschiedliche Auffassungen, teils wohl ohne Problembewusstsein. Ausdrücklich wies der BGH darauf hin, der Vertrieb solcher Software über das Internet müsse vielleicht auch anders behandelt werden, als der europaweite Vertrieb physischer Produkte. Die Frage sei aber noch zu prüfen.
Fazit
Für den BGH sind insbesondere markenrechtlich noch einige rechtliche Fragen offen. So war es nicht völlig überraschend, dass am 6. Oktober 2016 noch kein Urteil ergangen ist. Den Termin zur Verkündung einer Entscheidung hat der BGH auf Donnerstag, den 12. Januar 2017, bestimmt.
Beide Bossland-Verfahren sind von großer Bedeutung für Spieleentwickler und Publisher, die sich gegen Bot-Anbieter wehren möchten. In dem wettbewerbs- und markenrechtlich geprägten Verfahren ist zwar die Entscheidung noch nicht getroffen, doch tendierten nach unserem Eindruck die Richter eher dazu, die Sichtweise der Klägerin Blizzard zu teilen.
In beiden Verfahren bleibt natürlich auch noch abzuwarten, wie der BGH seine Entscheidungen begründet
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